Triggerwarnung: Krieg, Tod, Leiden
Nacht. Die Kamikazedronen schwirren über meinen Kopf hinweg. Es kracht und Flammen beleuchten die Dunkelheit. Mein Schützenpanzer ist zerschossen. Alle sind tot. Nur ich bin noch da. Irgendwo in einem Schützengraben entlang der Frontlinie bin ich noch da. Oder, bin ich auch schon tot?
Meine Tränen machen es mir teilweise schwer die Umgebung zu sehen. Ein dunkler Graben. Ein Angriff der komplett schief gegangen ist. Wahrscheinlich lebe ich nur, weil der Feind sich überrumpelt zurückgezogen hat. Glücklicherweise ist es so laut, das mein Schluchzen kaum hörbar ist. Ich spüre keinen Schmerz – ob das der Schock ist?
Wir waren blitzschnell im Schützengraben – und sind dann blitzschnell gestorben. Leuchtspurmunition pfeift über die Kante des Grabens hinweg und ein paar Salven hämmern in den Wall dahinter. Pflock pflock pflock. Kein schönes Geräusch. Aber immer noch besser als das heimtückische Pfeifen der Möser, bevor sie einschlagen. Pflock Pflock. Neben mir liegt Peter. Peter hat drei Kinder – einen Sohn mit Trisomie, der auf allen Bildern lächelt. Irgendwann in den nächsten Tagen wird irgendein Soldat ihm eine Flagge mit den Medaillen seines Vaters in die Hände legen. Und selbst in diesem Jungen, der immer lächelt, wird Trauer und Hass aufkommen. Trauer um den toten Vater. Hass auf die Mörder seines Vaters. Hass auf die, die meinten sie müssten mit Drohnen und Panzern Grenzen und Menschen auslöschen.
Wieder eine Gruppe Drohnen. Scheinbar ist der Angriff nur an meinem Frontabschnitt zusammengebrochen. Ich fange an mich zu bewegen, langsam, so leise ich schluchzend und bebend eben kann. Der Schützengraben wird flacher, ich muss robben. So komme ich noch langsamer voran, aber mein Kopf bleibt ungesehen. Ich schiebe mich über Erde, Steine, zersplittertes Holz und tote Körper.
“Scha liau uo ba!” Ich zucke heftig zusammen und schreie fast. Die Beine, über die ich gerade kletterte, gehören zu einem Menschen. Einem Menschen der noch lebt. Unsere Blicke treffen sich. Er ist blutüberströmt. “Scha liau uo ba!”. Ich verstehe ihn nicht. Sein Blick ist schmerzverzerrt auf mich fixiert. Er wiederholt seinen Satz. Während ich etwas von ihm wegkrabbele, sehe ich, dass seine Arme an den Schultern weggefetzt sind und ein viel zu großer Teil seines Gesichtes zerstört ist. Scheinbar ist eine der Kamikazedrohnen auf seiner Waffe gelandet. Tränen verdünnen das Blut unter seinen Augen. Er schluckt, sichtlich unter Qualen. “Kill me” stammelt er hervor.
Ich habe noch nie einen Menschen getötet. Und jetzt bettelt einer darum. Peter hätte es gekonnt, er war bei der letzten Gegenoffensive schon dabei gewesen. Eine Ehrenmedaille erinnerte uns daran. Peter hatte uns Frontneulinge geholfen und erklärt, was er konnte. Ob einer einen Menschen töten kann, weißt du erst, wenn er es getan hat, hatte Peter gesagt.
Eine helle Explosion beleuchtet die Nacht hinter mir. Mein Schützenpanzer ist getroffen worden und die Trümmer regnen um uns herab. Der Mann wiederholt sein Flehen, aber mit jedem Mal wird es schwächer. Er weint und zittert. Scheinbar liest er meine Gedanken und erkennt, das für ihn keine Erlösung bevorsteht. Scheiße, scheiße, scheiße. Pflock Pflock Pflock
Ich hebe meine Waffe. Ich ziele. Ich drücke ab. Ich sacke zusammen, so wie er. Mir ist übel und mein Schluchzen nimmt noch weiter zu. Ich sehe seinen gebrochenen Blick. Ich spüre, ich werde mich gleich übergeben. Ich. Ich. Wann bin ich an der Reihe?
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