Triggerwarnung: Flüche, Gefahr
Ich stehe im Nebel, es ist kalt und ein feiner Sprühregen stiebt mir ins Gesicht. Wir sind seit 5h unterwegs – eigentlich hätten wir es in 3h schaffen sollen. Nochmal 3h liegen vor uns – oder doch 5? Wir wussten Nordnorwegen wird ein Abenteuer. Aber muss es so eines sein? Schon vorgestern haben wir geflucht, teilweise rutschte uns der Weg hier in den Bergen unter den Füßen weg. Es hat geregnet ohne Ende, 30 Liter auf den Quadratmeter. Es war nass, rutschig, neblig. 10m Sicht sorgen in einem unbekannten Gebirge nicht für Sicherheit. Mir war mulmig zumute.
Und jetzt stehe ich hier, im Nebel. Vor mir mein Kamerad. Er klettert über den Felsen, über den ich es geschafft habe. Ich habe es v.a. geschafft, da ich Klettern gehe. Seit wann muss ich für eine Wandertour Kletterfähigkeiten mitbringen? Er schiebt sich vorsichtig, langsam über den Felsen. Wir sind hier allein und in diesem Nebel findet uns niemand. Er schiebt sich weiter, auf die andere Seite des Felsens. Dort, wo er gut treten kann. Ihm fehlen die 5cm Beinlänge, die ich mehr habe. Es ist knapp und er liegt halb in dem Bach, der den Felsen herunterläuft.
Mir wird plötzlich klar. Wenn er jetzt abrutscht und stürzt, dann kann ich ihm nicht helfen. Bei diesem Nebel kommt kein Hubschrauber. Bis die Bergrettung da ist vergehen mindestens 3h. Der Abhang verschwindet nach nur wenigen Metern im Nebel, wir haben kein Seil. Fuck. So ein Abenteuer wollte ich nicht. Mir bleibt nichts anderes übrig, als meine Gefühle für mich zu behalten, ruhig dazustehen und ihm meine Kletterstöcke zum Festhalten anzubieten. Ich selbst liege halb am Felsen, meine Füße sind unter Steine geklemmt, sodass ich nicht abrutschte. Fuck.
Er schafft es, wir gehen weiter. Die Gespräche danach füllen sich mit Flüchen. Unsere Nerven liegen blank. Nach einer Stunde erreichen wir einen ausgeschilderten Abstieg. Da wir nach wie vor kaum Sicht haben trauten wir uns bis hierher nicht früher abzusteigen. Wir hätten jederzeit an einer Klippe landen können. Wir sind unruhig. Während wir absteigen werden die Bäche um uns herum zu Flüssen. Reisenden Flüssen. Fuck. Ständig kreuzen wir, müssen springen. Bis es nicht mehr geht. Der Fluss ist zu breit. Weit und breit wird es nicht weniger und von oben schießt das Wasser. Wir sind seit 8h unterwegs.
Mein Kamerad findet eine Stelle im Fluss, die weniger reißend ist. Er watet hindurch, das Wasser steht ihm bis zu den Oberschenkeln. Jeder Schritt ist langsam, vorsichtig, bedächtig. Ich halte das Smartphone in der Hand, will die Bergrettung rufen. Mich bekommt niemand hier hinein. Die Angst die mich die letzten Stunden gepackt hat, verstärkt sich noch. Am Ende gehe ich den Schritt in den Fluss. Den Schritt, den ich nie gehen wollte. Fuck.
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