Für Franzi
Diese Geschichte ist als Geburtstagsgeschenk für eine besondere Person entstanden. Aus dem flapsig dahingesagten Geburtstagswunsch „Schreib mir eine Geschichte“ wurde diese Novelle. Sie ist eine kleine Reise in ein experimentelles Universum.
Mehr Geschichten von mir findest du unter https://robertforpresent.de/. Ich empfehle Velvet – Alpha.
Viel Spaß beim Lesen.
Kapitel 0
Wir sind auf einer Lernreise in den Riffen rund um mein Dorf. Es ist früh, alle anderen schlafen noch. Aber gerade jetzt sind die Krabben aktiv, die Mama und ich suchen. Sie sind farbenprächtig. In den Aquarien an unserem Hauseingang werden sie wunderschön sein. Wir schwimmen zwischen den Felsen und Korallen umher, ab und zu erhaschen wir eine Krabbe, greifen schnell zu und verstauen sie behutsam in unserem Beutel.
Auch wenn ich noch müde bin, es tut gut mit Mama zu schwimmen, die Krabben spielerisch zu fangen. Es ist ein schönes Lernen. Mama lacht fröhlich, als ich eine besonders schnelle Krabbe eben noch erwische.
„Großartig Nanshe. Mach weiter so und du wirst die schnellste Schwimmerin.“
„Aua!“ Eine der größeren Krabben hat mich in die Nase gezwickt.
„Und wahrscheinlich auch die verwegenste. Sieh her, halte die Krabben hier fest, dann können sie dich nicht zwicken.“ Mama dreht die Krabbe in ihren Flossen auf eine bestimmte Weise. Unsere Gefangene kann nun nur noch mit den Zangen im Wasser wedeln.
Ein rostroter Ball glühenden Lichtes erscheint über uns. Gebannt drehen wir uns zum Lichte hin, verstehen beide nicht, was es bedeuten soll. Dann kracht das Licht durch die Wasseroberfläche. Ein langer Zacken glühenden Stoffes bohrt sich an uns vorbei. Immer tiefer und tiefer. Dabei zerstört er alles um sich herum. Auch mein Zuhause wird getroffen, mein Dorf, Tjaru.
Mutter eilt los, will helfen und die anderen warnen. Zu spät. In ihrer Eile vergisst sie mich kurz, hält dann aber inne, dreht sich um. Ihr Beschützerreflex besiegelt ihr Leben. Ein Stück des glühenden Zackens begräbt sie unter sich.
Überall ist gleißendes Licht im Wasser, ich bin allein, ich rufe, ich schreie, habe Angst. Vor mir, in meiner Heimat, steht alles in hellen Flammen.
Was mir bleibt, ist der Weg zum nächsten Dorf, Hardai. Oft schwammen meine Familie und ich dorthin, an den Markttagen. Ich kenne den Weg gut, auch durch meine Verwirrung und den Schmerz hindurch. In Hardai angekommen sinke ich zu Boden. Ningishzida, der alte Lehrer, findet mich. Er wird von allen liebevoll Ningi genannt. Das Dorf hat den glühenden Stern ebenfalls gesehen. Mit letzten Kräften erzähle ich ihnen, was ich sah. Ein paar Mutige wollen Tjaru erkunden, aber Ningi hält sie ab. Ich sacke darnieder und schlafe in Ningis Flossen ein.
Viele Monde sind seitdem vergangen. Ich träume immer wieder von diesem Morgen und mit dem heranrückenden Hathorfest wird der Traum stärker. Mittlerweile träume ich ihn fast jede Nacht.
Wir Ravi gehen nicht mehr nach Tjaru. Dort ist alles zerstört. Die Mutigen kamen zurück und wurden krank. Viele starben. Ich habe als einzige überlebt. Und doch, es treibt mich wieder dorthin.
Kapitel 1
„Wach auf Nanshe, der Morgen ist da.“
Ich wälze mich in meiner Bettkuhle, unwillig schon aufzustehen. „Ningi, der Morgen ist gar nicht erkennbar.“
„Deine jungen Augen sehen die Sonne noch nicht, aber ich weiß, dass sie da ist. Vertrau mir.“
Ich mache Ningishzida nach „Vertrau mir. Das sagst du jeden Morgen.“
„Und so erkennst du, wann morgen ist.“
Mit großem Augenrollen schwimme ich aus der Bettkuhle hervor. Der Morgensport beginnt.
Ningi macht gerade die ersten Dehnungsübungen. Trotz seines hohen Alters ist er noch sehr beweglich. „Woran erkennst du überhaupt den Morgen?“
„Ich achte nicht auf die Sonne, diesen fernen Punkt am Himmel, sondern auf die Schlupfwürmer. Sie kommen nur in absoluter Dunkelheit aus dem Sand. Kurz vor Sonnenaufgang beginnen die ersten Leuchtpilze ihr Licht auszustrahlen. Dann verschwinden auch die Schlupfwürmer. So weiß ich, dass der Morgen da ist.“
„Und du bist dann schon wach und bereitest den Unterricht vor.“
„Und ich bin dann schon wach und bereite den Unterricht vor.“ Ningi lacht. Dieses Gespräch hatten wir schon häufig. Er fährt fort.
„Unsere Welt ist eine Welt des Subtilen, denk daran. Wir leben auf einem von vielen Monden eines riesigen Planeten in großer Ferne unserer Sonne. Entweder wir Ravi sind wachsam, oder wir sind verloren.“ Mit seinen letzten Worten blickt Ningi mich nachdenklich an. Das große Hathorfest steht an und er liest wohl meine Gedanken. Gedanken, die ihn sorgenvoll machen.
„Aber erstmal auf in die Krippe. Dumuzid ist gewiss auch schon da.“ Bei diesem Namen greife ich schnell meine Sachen und schwimme los. Ningi kommt irgendwo hinter mir hinterher.
Am Hof vor der Krippe ist das Gerangel bereits in Gang. Die anderen Kinder spielen ihr Lieblingsspiel: Steinschleuder. Ziel ist es einen bestimmten Stein so schnell und weit wie möglich zu werfen. Wer am weitesten wirft, hat gewonnen. Leider will niemand den Stein holen. Und wieder mal haben sich alle darauf geeinigt, dass genau einer den Stein holen soll. Macht er es nicht, prasseln andere Steine auf ihn ein. Die Kinder nennen das Motivation. Ich komme an, da fliegt gerade wieder ein Hagel Steine auf Dumuzid.
„Hey! Hört auf damit.“
„Lass uns in Ruhe Nanshe. Dumu wollte doch gerade selbst den Stein holen“, ruft eines der Kinder schnippisch zurück.
Dumuzid holt mit hängenden Flossen den Stein und gibt ihn mir. Dumu ist schnell, aber sonst ungeschickt. Deswegen hänseln ihn die anderen.
Ich nehme den Stein, hole aus und werfe. Er fliegt und fliegt und fliegt.
„Whoa, das ist wieder der weiteste Wurf, Nanshe. Wie machst du das nur?“ raunt eines der Kinder. Ein paar Blicke stellen es schnell wieder still.
„Wer ist hier zuerst gescheitert?“ Eine uns allen sehr vertraute Stimme ist hinter mir. Betretenes Schweigen.
„Nun?“
Eine der strebsamen Schülerinnen setzt an zum Zitat: „Worte sind immer unsere erste Wahl. Scheitern wir mit Worten, so sind wir bereits selbst gescheitert.“
„Und wer hat als Erstes auf Worte verzichtet und stattdessen Gewalt benutzt?“
Wieder betretenes Schweigen. Das staunende Kind von eben meint kleinlaut „Wir alle.“
„Richtig. Und ihr wisst, was das bedeutet.“
Sichtlich genervt kommt die Antwort im Chor. „100 Wörter, warum jede von uns großartig ist und Gewalt unter unserer Würde ist.“ Die Gruppe zieht gesenkten Hauptes in Richtung Krippe und beginnt im Sand zu schreiben.
Ningi wendet sich Dumuzid zu. Sein Blick ruht prüfend auf Dumu.
„Und nun zu dir. Was passiert, wenn Worte nicht mehr helfen?“
Dumu druckst herum. „Dann laufe ich weg und suche mir Hilfe.“
„Und warum hast du das nicht getan?“ Auch hier schaut Dumu betreten.
„Weil ich mich nicht getraut habe und daher ein zweites Mal gescheitert bin.“
„Richtig. Du bekommst dieselbe Aufgabe, nur von dir will ich 200 Worte lesen. Nanshe, von dir übrigens auch.“
Ich will anfangen zu protestieren, aber einer dieser Blicke von Ningi lässt mich stumm sein. Dass ich den Stein warf, war ebenfalls eine Niederlage der Worte.
Kapitel 2
Die Krippe fängt an.
Ningi schwimmt langsam im Kreis der Kinder umher.
„Da ihr alle gerade sehr aktiv seid, starten wir statt mit der Geschichte des Hathorfestes damit, aus Manna Polyominos zu formen. Ich will von allen einen Tetromino, einen Hexomino und einen Undekomino sehen.“
Die Klasse beginnt unter Murren mit der Arbeit. Manna ausstoßen, kurz atmen lassen und dann formen. Wenn es zu lange dauert, ist das Manna hart wie Stein. Bist du zu schnell, dann fließt es noch. Manna ist unser Mörtel für die Häuser und wird für alle möglichen Abdichtungen bei Zugwasser genutzt. Aber es braucht etwas Übung um aus unseren Drüsen ordentlich geformte Mannaobjekte zu erzeugen. Und gerade die Polyominos, aneinandergeklebte Würfel, sollen perfekt sein.
„Dumu, du musst dringend mehr üben. Dein Manna ist unförmig und kein Polyomino. Wir versuchen es gemeinsam.“ Ningi nimmt sich Zeit für Dumu. Einer der Hauptgründe das Dumu so von den Kindern geärgert wird ist, dass sein Manna stets quallenartig aussieht. Nicht hart wie bei den einen oder perfekt geformt wie bei den anderen. Nur ganz wenige schaffen beides, perfekt eckig geformte harte Würfel. Die werden wohl in Zukunft Steinmetze. Dumu eher nicht.
Ich selbst hadere vor allem am Undekomino. Die anderen beiden lassen sich leicht machen, aber die vielen Würfel fest zu verbinden fällt mir schwer. Beim vierten Versuch gelingt es allerdings.
„Gut, wer die Aufgabe noch nicht abgeschlossen hat, nimmt sie als Hausaufgabe mit. Findet Hilfe für euch oder kommt morgen auf mich zu. Jetzt starten wir mit Hathor. Wer kann mir erklären, worum es dabei geht?“
Ein paar Flossen gehen hoch, Ningi wählt Shak aus.
„Das Hathorfest bezeichnet den Tag, an dem unser Mutterplanet eine vollständige Umrundung unserer Sonne vollführt. Es ist eine große Ehre Hathor zu erleben, da es nur sehr selten stattfindet. Wann Hathor stattfindet erkennen wir an den Ringen unseres Mutterplaneten Saturn. An Hathor erzählen wir uns die ältesten Geschichten überhaupt und Gedenken unserer Ahnen.“
„Sehr richtig, danke. Was ist eure Aufgabe für Hathor, Adab?“
„Wir helfen die Statue unseres eigenen Planeten Titan und unseres Mutterplaneten Saturn zu bauen. Außerdem reisen wir zu den Wohnorten unserer Ahnen, um dort zu verweilen.“
„Genau.“ Ningi blickt mich kurz an, bevor er fortfährt.
„Müssen das alle Kinder machen, Shak?“
„Nein. Wer in Tjaru oder gar Kish aufgewachsen ist, ist befreit davon. Stilles Gedenken an die Ahnen reicht. Hathor ist ein Freudenfest und verlorene Orte gehören nicht dazu.“
Ich bin bekümmert. In meiner Krippe bin ich das einzige Kind, dass nicht an den Wohnort seiner Ahnen reisen kann. Niemand kennt irgendwen, der aus Kish stammt. Der Ort wurde vor vielen vielen Zyklen verlassen. Tjaru hingegen ist frisch und ich bin das einzige Kind, welches dort Verwandte hatte. Ein paar der Älteren auch, aber die haben sich schon längst damit abgefunden nicht nach Tjaru zu können.
„Warum reist niemand mehr nach Tjaru, Adab?“
„Tjaru wurde von einem Meteoriten getroffen. Vom Dorf ist nichts mehr übrig und nach Meteoriteneinschlägen sind Orte für uns Ravi sehr gefährlich. Viele von uns werden krank. So erging es auch einst Kish. Warum wir dort krank werden verstehen wir noch nicht, aber wir haben gelernt uns von dort fernzuhalten.“
Ich muss nach Tjaru. Niemand zwingt mich. Aber es fühlt sich richtig an. Allein werde ich nicht dorthin schwimmen. Aber ich wüsste jemanden, der gewiss mitkommt. Wir müssen nur schnell sein.
Kapitel 3
Der Weg nach Tjaru ist weit. Dumuzid kommt zum Glück mit. Allein wollte ich diese Reise nicht machen und Dumu ließ sich leicht überzeugen. Nach einer Weile setzt Dumu an.
„Sag mal, Nanshe, woher weißt du überhaupt, wohin wir schwimmen. Wir waren doch noch nie in Tjaru.“
„Nicht ganz, Dumu. Ich war ja schon dort. Ein paar Erinnerungen habe ich und ich träume immer wieder vom Weg dahin. Zum Beispiel die lange Vulkanzinne, an der wir eben vorbeischwammen. Die kenne ich noch aus meiner Kindheit.“
„Oh, ok. Die ist mir nicht aufgefallen.“
„Ja und die offensichtlichste Wegbeschreibung sind die Karten. Auf den neuen Karten ist ein Bereich stets leer geblieben. Dort liegt Tjaru. Wahrscheinlich müssen wir am Ende etwas suchen, aber auf ein paar hundert Körperlängen genau finden wir es leicht.“
Dumu überlegt kurz und nickt dann. Er scheint zufrieden mit meiner Antwort. Wir schwimmen ein bisschen, singen, erzählen uns ein paar Gruselgeschichten, lassen es dann aber doch wieder schnell.
„So weit weg von Hardai war ich noch nie. Und über die große Tiefe bin ich noch nie geschwommen.“
„Ich schon, Dumu. Und zum Glück haben wir dich dabei, du bist so schnell, dir kann niemand etwas anhaben.“
Mir fällt auf, dass zwei seiner Flossen die ganze Zeit mit etwas herumhantieren.
„Überhaupt, was machst du die ganze Zeit mit deinen Hinterflossen?“
Dumu schaut etwas betreten drein. Er schwimmt so schnell wie ich mit zwei Flossen weniger.
„Ningi meinte doch, ich muss üben Manna zu formen. Ich forme die ganze Zeit kleine Objekte. Manna formen ist echt schwer.“
Ich halte kurz inne und betrachte, was er macht. Manna ausdrücken, kurz atmen lassen und dann formen.
„Dumu, du bist zu schnell. Das Manna muss vier Herzschläge lang atmen, nicht nur zwei. Nach vier Herzschlägen ist es weich genug aber nicht zu fest zum Formen.“
„Oh, das hätte ich bemerken können, danke.“
Direkt das nächste Objekt sieht besser aus, ein kleiner Würfel mit perfekten Ecken. Dumu strahlt und wir schwimmen weiter. Die große Tiefe liegt vor uns.
Wir nähern uns dem Abgrund.
„Bis zur anderen Seite ist es nicht weit. Aber wir sollten schnell schwimmen. Also lass erstmal die Mannaübungen. Lass uns nah beieinander bleiben.“
Dumu nickt und los geht es. Wir schwimmen Körper an Körper. Dumu ist etwas schneller, schwimmt leicht vor mir und nimmt mich dadurch mit. Ich kann fast so schnell schwimmen wie er.
Aus der Tiefe kommen dunkle, bebende Geräusche. Was auch immer da unten lebt, es wirkt riesig. Wir schwimmen noch schneller. Wir sind so darauf fokussiert schnell zu schwimmen und verstohlen nach unten zu blicken, dass wir erst sehr spät das Licht über uns bemerken. Für ein paar Sekunden lang erhellt ein Schein das trübe Tageslicht. Wahrscheinlich ein Meteorit. Mit einem dumpfen Grollen bewegt sich das Licht über uns hinweg und verschwindet dann. Diese Tiefe ist wirklich unheimlich, in alle Richtungen. Außer das Grollen aus der Tiefe und unseren Schwimmbewegungen höre ich nichts.
Wir erreichen sicher die andere Seite. Bereits hier zeigt sich das Schicksal Tjarus. Mehr und mehr liegen merkwürdige glitzernde Teile auf dem Sandboden. Felsen sind zersprungen und Korallenriffe ausgeblichen. Immer größere Formen liegen umher. Oft mit glatten Oberflächen, dann wieder verdreht und schwarz geschwelt. Was auch immer hier passierte, das war keiner der üblichen Meteoriten. Es sieht aus, wie ein Polyomino mit vielen, vielen glänzenden Würfeln. So viel Manna kann ganz Ravi nicht erschaffen.
Und dann liegt es vor uns: Tjaru. Oder was davon übrig geblieben ist. Es wirkt, als wäre ein Riese über das Dorf hinweggefegt, hätte alle Häuser umgeworfen und vergraben. Alles ist mit Sand bedeckt, hier und da liegen Gerippe. Keine toten Ravi, aber immer noch große tote Tiere. Wir wenden unsere Blicke davon ab. Ich weiß wieder, wo ich hin muss. Mama und ich sind diesen Weg häufig geschwommen. Dort war der Dorfplatz, hier die Krippe, dort der Steinmetz. Schon stehen wir vor der Ruine meines Hauses. Eigentlich ist nur noch der oberste Polyomino sichtbar. Ich kann und muss nicht ins Haus hineinschwimmen. Hathor verlangt nur, dass wir am Ort unserer Ahnen verweilen. Das tue ich. Es schmerzt mich all die Zerstörung zu sehen, und gleichzeitig fühlt es sich richtig an hier zu sein.
Das Licht erscheint wieder in der Ferne, beleuchtet etwas Riesiges. Dort ist er, der Zacken von damals. Es ist das bisher größte Objekt glatter, teilweise glänzender und teilweise schwarzer Teile. Wie ein Stachel steckt es im Meeresboden unweit von Tjaru. Ein Krater hat sich darum geformt, wie bei einem Meteoriteneinschlag. Das Objekt ist langgezogen, regelrecht schlank. Es wirkt wie von einer anderen Welt. Kein Ravi hat so etwas je gesehen oder geschaffen. Das Licht bewegt sich weiter.
„Nanshe, ich glaube, wir sollten hier wieder weg. Dieser Ort verängstigt mich noch mehr, als ich dachte.“
„Du hast recht Dumu, lass uns zurückkehren. Danke, dass du mit mir hier …“
Das Licht ist plötzlich direkt auf uns gerichtet.
„Schnell weg“, brüllt Dumu und ist schon halb in einer Felsenkluft verschwunden.
Ich bin nicht so schnell. Ein dumpfes Geräusch erfüllt das Wasser und mit einem Male bin ich eingefangen in einem dichten, starken Netz. Ich kann mich nicht mehr bewegen. Meine Haut schmerzt und drückt gegen das Netz. Ein weiterer Schmerz durchsticht meine Rückenflosse. Obwohl ich voller Panik und Angst bin, schlafe ich ein. Ich kann mich nicht dagegen wehren. Mit letztem Blick sehe ich nur noch die großen Augen Dumus in einer dunklen Felsenkluft.
Kapitel 4
Es ist still und dunkel um mich herum. Auch wenn ich nichts sehe ist die Höhle sehr klein, in der ich mich befinde. Überall sind glatte, kalte Wände. Ähnlich wie der Zacken in Tjaru. Ich weiß nicht, wie lange ich geschlafen habe und die Sonne sehe ich auch nicht. Meine Rückenflosse schmerzt immer noch besonders.
Ein Licht geht an. Ich befinde mich in einer Art durchsichtigen Kapsel. An einer Seite und über mir sind zwei runde Öffnungen eingelassen, beide sind verschlossen. Auf einem glatten Steg steht Enlil – so nenne ich das Wesen – auf zwei Flossen. In zwei anderen Flossen hält er eine Art sehr flachen Stein, auch dieser ist durchsichtig und leuchtet bunt. Die Höhle, in der ich mich befinde, ist hell, weiß. Grüne Pflanzen stehen in Regalen an den Wänden. Mehrere rechteckige Öffnungen gehen in verschiedene Richtungen weg. Ich sehe überall Aufbauten und Konstruktionen. Es sieht ein bisschen aus wie in einer Schamanenhöhle. Außerhalb meiner Kapsel scheint es trocken zu sein.
„Experimento 4 con ser B312 en la expedición de Titán Beta.
B312 obviamente reacciona a la luz.
B312 parece estar mirándome directamente.
Experimento 5: Mueve el espejo hacia delante.“
Eine dünne Platte erscheint an der Außenseite meiner Kapsel. Ich schwimme darauf zu und erkenne einen anderen Ravi.
„Bitte, hilf mir!“
Die Lippen des anderen Ravi bewegen sich exakt zu meinen. Ich winke eine Flosse. Der andere Ravi macht dasselbe. Es dauert nicht lange, dann dämmert es mir. Ich blicke mich selbst an. Ich habe mich noch nie selbst gesehen, aber egal was ich mache, der andere Ravi tut dasselbe. Die Platte reflektiert mich und meine Umgebung. Warum ich mich selber sehen soll weiß ich nicht.
„Experimento 5 con éxito. El ser se reconoce a sí mismo.
Experimento 6: Comienza el puzzle 1.“
Ein blinkender Punkt erscheint an einer der durchsichtigen Wände vor mir. Er pulsiert langsam. Ich schwimme näher. Der Punkt leuchtet blau, langsam heller und dunkler werdend. Ich sehe kein Lebewesen und keinen Stein, die das Licht aussenden. Es ist einfach da. Ich schwimme näher heran.
Mit einem hellen Klang verschwindet der Punkt und hinterlässt einen größer und dunkler Kreis aus Licht.
Ein neuer Punkt erscheint etwas links von mir. Scheinbar konnte ich den Punkt mit meiner Nase verschwinden lassen.
Den zweiten Punkt berühre ich mit meiner Flosse, er verschwindet ebenfalls.
Dieses Mal erscheinen zwei Punkte. Einer größer als der andere. Ich berühre erst den größeren, dann den kleineren. Wieder erscheinen die Kreise und die Punkte verschwinden.
Nun erscheinen vier Punkte unterschiedlicher Größe. Wieder berühre ich sie, von klein nach groß. Als ich den letzten berühre, erscheinen dieselben Punkte nochmal. Ich berühre sie von groß nach klein. Alle verschwinden.
Enlil wirkt offensichtlich sehr erregt von meinen Taten. Er beobachtet mich.
„Experimento 6 con éxito. La criatura cumple los enigmas sin problemas. Increíble. Nunca antes habíamos completado el Experimento 6 tan rápido.
Comienza el experimento 7.“
So geht es weiter. Immer mehr Punkte, komplexere Muster und Symbole. Enlil steht mit offenem Munde da, blickt mich mit großen Augen an. Er scheint beeindruckt.
Zwischendurch erscheint von oben eine Kiste mit allem möglichen aus dem Meer. Steine, Sand, aber auch Krebse, Fische und Essen. Ich esse, auch wenn es nicht viel ist. Enlil beobachtet mich wieder sehr genau. Da ich immer noch Hunger habe schiebe ich mit einer Flosse die Steine und Krebse zurück in die Kiste. Die Fische werde ich nicht los, sie scheinen ebenso wie ich verängstigt und unsicher zu sein. Sie haben sich an einer der Wände gesammelt.
„B312 no come cangrejos, piedras ni pescado. Increíble. Su dieta es completamente diferente a la de todos los demás animales de Titán. Estoy probando la observación de la dieta con otra combinación.“
Eine neue Kiste erscheint. Dieses Mal sind Korallen, wieder Krebse, zum Glück sehr viel Essen und Erze dabei. Außerdem noch ein paar andere Sachen. Es wirkt, als hätte Enlil eine halbe Müllhalde mitgebracht.
Ich esse wieder nur mein Essen.
Enlils Körper ist unaufhörlich in Bewegung, trippelt von rechts nach links. Er wechselt an eine andere transparente Steintafel mit noch mehr bunten Lichtern. Plötzlich sehe ich ihn selbst auf der Oberfläche. Er spricht zur Oberfläche.
„Informe provisional sobre la entidad B312 de la expedición Titán Beta a la Comisión Planetaria de la ONU. El ente B312 muestra obviamente una inteligencia avanzada. Se alimenta de hidrato de metano y resolvió los experimentos 1 a 19 en tiempo récord. Los resultados sugieren que Titán debe ser puesto en cuarentena. La exploración y la explotación deben detenerse.“
Er sitzt für eine Weile an der Oberfläche, ich sehe Graphen und Reihen von Symbolen erscheinen.
Eine der Öffnungen geht auf und ein zweites Wesen wie Enlil erscheint. Er blickt mich kurz an, fletscht seine Zähne und geht dann auf Enlil zu.
„¿Cuál es la situación, Momo?“
„Jesús, es increíble. Ser B312 demuestra inteligencia. Es increíble. Pasó todos los experimentos en un tiempo récord. Si esto resulta ser cierto, tendremos que poner Titán en cuarentena y detener la explotación de sus minerales.“
„Eso sería muy desafortunado para Weyland. Esto debe ser examinado en detalle. El futuro de futuras expediciones depende de la utilización comercial del titanio. Ya lo sabes, Momo.“
Marduk – so nenne ich das zweite Wesen – ist scheinbar nicht begeistert von mir und Enlil. Enlil sackt etwas zusammen, er zittert.
„Pero, pero Jesús. La ONU estaría a favor de nuevas expediciones. Creo que este es el hallazgo del milenio. Un ser pensante e inteligente. Nunca hemos encontrado nada tan inteligente. Y en Titán, desde cualquier parte del sistema solar.“
„Compruébalo otra vez. Y no quiero ver ningún informe provisional sobre su salida.“ Marduk ist lauter geworden. Enlil sackt zusammen, nickt seinen Kopf. Marduk blickt mich an, zeigt seine Zähne auf einer Seite seines Gesichtes. Ich kenne diese Wesen nicht, aber der Blick gefällt mir nicht. Ich habe Angst.
Kapitel 5
Es ist dunkel. Ich liege in einer Ecke meiner Höhle. Die Geräte um mich herum sind größtenteils dunkel. Ein paar leuchten noch. Ich frage mich, wie lang ich hier schon bin. Die anderen im Dorf müssen sich unglaubliche Sorgen machen. Ich hoffe, Dumu geht es gut und er kam zurück in Sicherheit.
Plötzlich ist es noch dunkler. Alle Geräte sind aus. Nur noch ein Licht ist sichtbar. Es kommt aus einer der rechteckigen Öffnungen in der Wand. Ich sehe eines der Wesen dort stehen. Marduk.
Er betritt den Raum, bewegt sich um meine Kapsel herum, zeigt wieder seine gefährlichen Zähne.
„Es una pena. Los primeros seres inteligentes además de nosotros, los humanos, viven en la mayor montaña de dinero del sistema solar. Bueno, es una pena que seas el único espécimen encontrado vivo.“
Er steckt einen kleinen Stein an meine Kapsel und verlässt den Raum. Bevor die Öffnung sich wieder schließt, dreht er sich um, schaut mich an und zeigt seine weißen Zähne.
„Buenas noches.“
Die Öffnung schließt sich. Ein Knall schüttelt meine Kapsel. Der Stein hat ein kleines Loch in die Kapsel gerissen, aus der nun Wasser strömt. Das Wasser, in dem ich lebe. Marduk scheint mich umbringen zu wollen. Bereits jetzt bildet sich eine Luftblase oben in der Kapsel. Alles, was das Wasser außerhalb meiner Kapsel berührt, bekommt direkt einen weißen, kristallinen Überzug.
Die Kapsel an sich hält. Nur durch das kleine Loch strömt Wasser aus. Bei näherer Betrachtung sehe ich, dass das Loch in der Kapsel klein ist, sehr klein. Ich stoße ein bisschen Manna aus und drücke es mit einer Flosse in das Loch. Das Manna härtet aus und das Loch ist dicht. Um das Loch sind ein paar Risse, aber das Manna beahrt sie vielleicht davon größer zu werden. Kein Wasser strömt aus. Marduk kannte wohl noch nicht unsere Fähigkeit Manna zu erzeugen. Mein Glück, es muss ein Geheimnis bleiben.
Von außerhalb meiner Kapsel höre ich laute Geräusche, eine rote Leuchte ist angesprungen, bisher unsichtbare Öffnungen in der Decke sind aufgegangen. Eine andere Öffnung tut sich auf und Enlil kommt hineingelaufen. Er sieht durcheinander aus, die Kleidung ist wirr. Auf seinem Gesicht trägt er eine Armatur, als hätte er eine Alge im Gesicht kleben. Seine Stimme klingt mechanisch.
„Por el amor de Dios. ¿Qué ha pasado?“
Er sieht den Klumpen Manna in der Öffnung und die geweißten Geräte darum herum. Er kommt vorsichtig näher, sicherstellend kein Wasser zu berühren.
„¿Un agujero en la cápsula? Imposible.“
Er sieht sich das frühere Loch näher an. Seine Augen werden wieder groß. Ich sehe die dunklen Ringe um seine Augen.
„Jesús. Quería matarte. Tenemos que sacarte de aquí. Tengo que liberarte e informar a la ONU. Lo siento, lo siento.“
Er hantiert ein wenig umher. Die seitliche Öffnung in der Kapsel geht auf und zeigt einen Tunnel. Ich schwimme hindurch. Es ist dunkel, aber zum Glück kann ich mich mit Geräuschen orientieren.
Kapitel 6
Das Labor zu verlassen war schwierig, und gleichzeitig immer noch leichter als den Weg nach Hause zu finden. Ich habe keine Karte dabei und Tjaru liegt in einem Gebiet, dass wir wenig beschwimmen. Ich muss nach Hause kommen und dem Dorf berichten. Kann es sein, dass es andere, intelligente Wesen gibt, die reden und handeln? Und den Ravi offensichtlich böses wollen? Ich muss einfach nach Hause finden. Nur wie?
Ich bin ein paar Hundert Körperlängen vom Labor weg in eine dunkle Kluft geschwommen. Hier findet mich erst mal niemand, während ich überlege, was ich als Nächstes tue.
Im Wasser ist die Sicht nicht sonderlich weit. Je tiefer ich schwimme, desto geringer wird es. Am weitesten sehe ich an der Oberfläche. Doch lange kann ich da nicht bleiben, bevor mir die Luft ausgeht.
Weiter weg vom Labor sehe ich eine Bergwand zur Wasseroberfläche hin ansteigen. Je weniger ich im offenen Wasser bin, desto besser. Die Bergwand bietet mir Schutz. Ich schwimme den Berg hinauf so weit es geht. Der Berg erreicht die Meeresoberfläche nicht ganz. Ein paar Körperlängen muss ich im freien Wasser schwimmen. Mein Kopf durchstößt die Oberfläche und wie gewohnt schwillt mir heiße Luft entgegen. Ich blicke mich rasch um.
In alle Richtungen sieht es gleich aus, überall Meer. Über mir der Saturn. Nur hinter mir sehe ich eine allzu bekannte Struktur aus dem Wasser ragen. Der Zacken, der Ort, an dem Enlil mich einfing. Von dort kenne ich den Weg nach Hause. Ich werde eine Weile dahin schwimmen müssen.
Ich gleite wieder zurück ins Wasser und merke mir die Richtung. Den Berg hinab und entlang von Felsspalten gelange ich schließlich an den Zacken heran. Um mich herum sehe ich Schlupfwürmer verschwinden und Leuchtpilze ihr erstes Licht verströmen. Es ist Morgen.
Das Meer ist hier besonders still, als ob alle den Ort meiden. Endlich komme ich in Tjaru an. Das zertrümmerte Dorf liegt immer noch still da. Es war richtig hierherzukommen. Und doch ist es nun Zeit wieder nach Hause zu schwimmen. Ich bin froh, dankbar den Weg zu kennen. Und gleichzeitig habe ich damit meine Pflicht für das Hathorfest getan. Ein gutes Gefühl ergreift mich und ich schwimme noch schneller. Selbst die große Tiefe ängstigt mich heute kaum.
Als ich dem Dorf näher komme, sehe ich einzelne Ravi im Wasser. Sie blicken weg vom Dorf. Als mich einer erblickt ruft er: „Nanshe, da ist sie. Kommt alle zusammen!“
Schnell bildet sich eine Traube um mich.
„Wir haben dich gesucht.“
„Wo warst du?“
„Holt Ningi, er wird dankbar sein.“
Ich komme kaum zum Antworten und als Ningishzida endlich da ist, bin ich immer noch außer Atem vom schnellen schwimmen. Dumu hätte wohl nicht gekeucht. Er kommt gemeinsam mit Ningi zu mir.
„Nanshe. Wir dachten, wir hätten dich an diese Dämonen verloren. Wie gut, dass du gesund und munter zu sein scheinst.“
„Es sind keine Dämonen, Ningi. Es sind intelligente Wesen. Sie können Reden und Handeln. Und sie scheinen nicht im Wasser zu leben.“
Ein Raunen geht durch die Menge.
„Aber sie haben dich eingesperrt, eingefangen.“
„Ja, aber nur weil sie noch nicht wussten, dass wir sprechen und denken. Es sind zwei Wesen. Einer hat mich gefangen, aber war gut zu mir und half mir zu fliehen. Der Zweite war böse, fletschte seine Zähne und wollte mich umbringen. Vor ihm müssen wir uns schützen.“
„Du sprichst in Rätseln. Wie kann einer gut und der andere böse sein?“ fragt Dumu.
„Es ist wie bei uns. Manche werfen mit Steinen, andere nutzen Wörter. Die Wesen sind uneins, wie auch wir. Aber einer scheint uns nichts Böses zu wollen.“
Ningis Blick schweift bei diesen Worten. Er scheint zufrieden mit meiner Antwort zu sein. Keine Bestrafung dieses Mal.
„Was ist das an deiner Rückenflosse?“, fragt eine der Frauen.
Alle Blicke, genauso wie meiner, gehen zu meiner Rückenflosse. Tatsächlich, ein kleiner, schwarzer Punkt, kaum größer als ein Kiesel klebt dort an mir.
Ningi schwimmt näher heran.
„Das ist kein Stein und kein Krebs. Es sieht künstlich aus, nicht von Ravi Flosse geschaffen.“ Seine Augen zeigen tiefe Besorgnis. „Vielleicht ist es von den Wesen. Vielleicht verfolgen sie dich damit.“ Eine Welle des Entsetzens geht durch die Gruppe.
„Du hast sie zu uns geführt! Der Böse wird uns schaden.“
„Aber ich wollte doch nichts Böses, nur nach Hause“, jammere ich.
Ningi beschützt mich wieder einmal. „Dich trifft keine Schuld, aber nun müssen wir …“
„Ruhe! Hört ihr das auch?“
Alle sind still. Und tatsächlich, ein Geräusch wie unzählige Flossen im Wasser kommt näher. Es wird schnell lauter. Die meisten anderen sind bereits weggeschwommen, ins Dorf oder in Sicherheit. Mir hilft keine Flucht, nicht, solange das Ding an meiner Flosse ist. Ningi und Dumu sind bei mir, aber ebenso hilflos wie ich.
Ein Lichtkegel wird sichtbar. Eine Art große Kapsel kommt näher, angetrieben von drehenden Flossen. Die Kapsel kommt näher, nur noch hundert Körperlängen. Und etwas Weiteres erkenne ich: Die Kapsel ist teilweise durchsichtig. Darin sitzt Marduk und zeigt wieder seine Zähne. Er hantiert an einem langen Stock und plötzlich pfeifen kleine Steine aus zwei Öffnungen auf uns zu. Sie schleudern Boden und Felsen um uns herum auf. Ningi versteckt sich hinter einem Felsen, ich folge ihm. Der Felsen bebt unter den kleinen Steinen. Der Lärm ist dröhnend.
„Wenn wir die fliegenden Steine berühren sind wir tot“, sagt Ningi ruhig. „Dumu wurde getroffen. Das Wasser riecht nach seinem Blut.“ Ich sehe Dumu nicht.
„Können wir die Kapsel aufhalten? Sie irgendwie bewerfen? Und wir müssen Dumu helfen.“
„Erstmal müssen wir uns selber schützen. Und die Kapsel aufhalten. Ich fürchte, das können wir nicht ohne weiteres. Wahrscheinlich hat die Kapsel nur ein paar Steine und kann nicht ewig werfen, so wie auch wir immer nur eine Handvoll Steine aufnehmen können.“
Mittlerweile sind viele Steine geflogen, aber Marduk scheint nicht neue Steine aufnehmen zu müssen.
Es platzt regelrecht aus mir heraus. „Das ist Marduk, er ist der Böse der zwei Wesen.“
Ningi blickt mich an. „Das habe ich mir gedacht.“
Wir hören die drehenden Flossen näher kommen. Wir sind hier nicht sicher. „Ningi, wir müssen hier weg. Marduk kriegt uns, falls wir hier bleiben.“
Ningi zeigt mit seiner Schwanzflosse in Richtung des nächstgelegenen Bergs. „Dort, in der Kluft, da kann Marduk mit seiner Kapsel nicht rein und wir kommen auf die andere Seite des Berges. Lass uns in der Kluft besprechen.“
„Ich bin schneller als du und schwimme zuerst los. So lenke ich Marduk von dir ab.“
„Sei mutig, aber nicht übermütig.“ Ningi blickt mich ernst an. Wieder hagelt es Steine um uns herum und der Felsen bricht bereits in Teile.
Ich schwimme los, Ningi folgt mir direkt. Ich bekomme einige Steine als Streifer ab, der Schmerz ist betäubend, doch ich schwimme weiter. Aus dem Augenwinkel sehe ich die Kapsel, Spuren der fliegenden Steine im Wasser. Und einen dunklen Schatten um die Kapsel herum. Welche Boshaftigkeit hat Marduk da noch für uns dabei? Wir erreichen die Kluft. Das Wasser riecht nach Blut, meinem Blut.
Doch, wie merkwürdig. Die Kapsel ist uns nicht gefolgt. Die Steinschleuder wirft weiterhin, doch verfehlt uns völlig. Aus der Deckung luge ich hervor und sehe Marduk wild an seinem Stock schüttelnd. Irgendetwas ist falsch. Da! Da ist er wieder, der Schatten. Er ist flink an der Steinschleuder und dann wieder weg. Als Marduk ihn bemerkt, hantiert er kurzerhand und die Steinschleuder wirft wieder. Plötzlich knallt es und eine der beiden Steinschleudern geht in einer Wolke aus Rauch und Sand auf. Ein Riss schießt durch Marduks Kapsel, bevor diese implodiert. Marduk wird im Inneren hin und her geschleudert, er zappelt wie wild. Dann ist er regungslos.
„Was ist da passiert?“, murmelt Ningi mir zu.
Wir kommen langsam aus unserer Deckung hervor. Der Schatten gleitet auf uns zu.
„Dumuzid. Was hast du getan?“, ruft Ningi ihm zu. Nun erkenne ich ihn auch.
„Ich habe Manna in die Flossen und als Letztes in die Steinschleuder gesteckt. Scheinbar ist die Steinschleuder nicht dafür gemacht, verklebt zu werden.“ Dumuzid blickt uns mit einer Mischung aus Stolz, Erleichterung und auch Erschöpfung an. Er war schnell, irre schnell. Und er hat blutende Wunden an seiner rechten Seite. Eine der Flossen ist sichtbar verletzt.
„Dumu, selbst mit deinen Verletzungen warst du noch so schnell?“ Ich blicke ihn ungläubig an.
Dumuzid druckst herum. „Ich wollte schützen, was mir wichtig ist. Da war es ganz leicht schnell zu sein. Es ging einfach so.“
„Was ist das schon wieder?“ Ningi blickt sorgenvoll in dieselbe Richtung, aus der Marduk kam. Eine kleinere Kapsel kommt langsam aus dem trüben Wasser auf uns zu. Es ist Enlil. Er macht die gleichen Gesten, als er erkannte, dass ich denken kann. Große Augen, großer Mund. Keine Zähne.
„Das ist Enlil, er war gut zu mir.“
Ningi blickt ihn an. Enlil wedelt mit seinen Flossen.
„Pido disculpas por los actos de Jesús. Queremos la paz contigo. La ONU hará de este planeta un santuario de tu gente. Por favor, no malinterpreten los actos de Jesús como un consenso entre la humanidad. Lo siento mucho. Por favor, déjenme llevarme el submarino y a Jesús conmigo, para que no puedan hacerles más daño.“
Enlil scheint sprachlos, dass wir Marduk außer Gefecht gesetzt haben.
„Ich glaube, er will die Kapsel mitnehmen.“ Ningi nickt ihm zu. Enlil zeigt wieder dieselben Gesten. Eine kleine Flosse kommt aus der Kapsel hervor und greift die andere. Marduk sieht mittlerweile sehr anders aus, seine Haut ist komplett schwarz. Dann schwimmt Enlil weg.
Die anderen aus dem Dorf kommen wieder hervor.
„Dumu hat uns gerettet vor den Wesen.“
„Hoch lebe Dumu!“
Scheinbar haben sie gesehen, was Dumuzid heute geleistet hat. Dumu ist es ganz offensichtlich unheimlich, diese Anerkennung. Aber, mit ein paar Zuckungen hier und da in seinem Gesicht wird auch klar, wie sehr er es genießt. Er hat es geschafft.
Kapitel 7
Der Tag ist da. Wir feiern Hathor. In der Mitte des Dorfes schwebt der Saturn über uns, seine Ringe und seine Monde sind ebenfalls dargestellt. Es ist ein freudiger Tag, ein großer Tag.
Und wir haben heute besondere Gäste. Eine Gruppe Wesen aus Enlils Dorf. Das Dorf hat zugestimmt ihnen eine Beobachterposition zu geben. Er darf dabei sein, erhält Anteil an unserer Zeremonie und darf darüber berichten. Außerdem hat er Geschenke als Ausgleich für die Zerstörung mitgebracht, die Marduk verursacht hat. Seine Dorfbewohner können bereits ein paar Worte in unserer Sprache sprechen und sind überglücklich dabei sein zu dürfen.
Es stellte sich heraus, dass sie Zähne zeigen wenn sie wütend sind, dir böses wollen, aber vor allem wenn sie dir gutes wollen. Es war sehr verwirrend für die meisten von uns. Und komisch zu sehen, als Ningi versuchte Zähne zu zeigen. Er hat nicht mehr viele. Es war ein verbindender Moment für uns alle.
Soweit wir sie verstehen kommen sie von einem anderen Planeten. Niemand wurde ernsthaft durch Marduk verletzt, zum Glück. Aber da Enlil und Marduk so unterschiedlich handelten ist das Dorf Enlil wohlgesonnen. Hoffen wir, dass diese ONU, von der er so viel spricht, uns weiterhin wohlgesonnen ist.
Wir haben ihnen nicht gezeigt, wie wir Manna schaffen. Sie sind erstaunt, was wir bauen und schaffen, wollen unbedingt mehr wissen. Aber Ningi war sehr klar in seiner Ablehnung.
„Das Manna hat uns gerettet, ebenso wie unsere Schnelligkeit, Schlauheit und unser Wunsch, gemeinsam füreinander da zu sein. Das letztere dürfen sie ruhig wissen, aber das erstere soll unser Geheimnis bleiben.“ Alle waren damit einverstanden.
Dumuzid wird nicht mehr geärgert von den anderen. Seine Schnelligkeit und sein Mut haben ihm endlich Anerkennung verschafft. Er genießt es sichtlich, sprintet von hier nach da und freut sich.
Wie immer schwimmt Ningi ruhig und gelassen am Rande des Festes. Viele der Jüngeren tanzen ausgelassen oder lauschen den Geschichten unserer Ahnen vom letzten Hathorfest. Es ist sehr lange her. Nun soll auch Ningi berichten. Lachend und mit Zurückhaltung lässt er sich darauf ein. Seine tiefe, ruhige Stimme erfüllt unser Dorf.
Für mich ist es ein besonderes Fest. Nicht nur konnte ich meinen Eltern und anderen Ahnen gedenken, sondern auch eine neue Welt für uns Ravi auftun. Wir wissen nicht, wie es mit diesen Wesen noch so wird. Aber nach den turbulenten Anfängen hoffen wir auf das Beste. Bisher hat mir das stets gut geholfen.
„He, Nanshe, erzähl uns deine Geschichte! Erzähl uns wie du Tjaru wiedergefunden hast“, ruft jemand aus der Gruppe.
„Ich muss los, bis später.“
Gute Geschichte. Gerne auch schon für Grundschulkinder.
Kinder . Gute Sprache . Sätze in guter Länge. (Man Dosis reichte gerade so, um den Sinn zu erfassen ;)) Eine schöne, lehrreiche Geschichte, aus der viel gelernt werden kann, die Freude macht, Spannung enthält, neugierig macht, wie es weiter geht. Sie berührt auch; KANN zum Nachdenken führen. Manche Kinder müssen vielleicht erst durch Fragen darauf gebracht werden. Ältere verstehen die kleinen Winke wahrscheinlich auch selbst.
Einiges – sehr wenige – Worte sind etwas „drüber“ /gestelzt, nicht zum Rest passend. Manchmal – SEHR selten – sind die Übergänge zwischen zwei Gedanken oder neuen Szenen etwas holprig/springend, nicht geschmeidig.! Ein paar wenige Kommata gehen, ein oder 2 Rechtschreibfehler und ein Grammatikfehler am Ende, den aber auch mittlerweile jüngere Nachrichtensprechende machen: einer Person gedenken, sollte m.E. auch heute noch im Genitiv stehen.
Habe mich gefreut, Deine Modelle gelesen zu haben, lieber Robert